Als Künstler bist du so eine Riesenfallgrube" hat er gesagt
- außerdem, daß es nötig sei, ein Superkitsch-Modell"
zu haben und gefährlich, sich von Ausstellungsmachern die Arschbacke
eincremen zu lassen". Martin Kippenberger wußte instinktsicher besser
Bescheid als andere und er hat nie versucht, eine dumme Nummer in ein Kunstwerk
umzupolieren. Eine dumme Nummer blieb eine dumme Nummer - und wegen dieser
entwaffnenden Authentizität konnte man manches Stück de facto als Klär-Werk
verstehen.
Kippenbergers Herumeiern zwischen Material und Materie war Programm.
Viele seiner Arbeiten lassen sich über den Daumen gepeilt als zwar etwas
ruppige und aus bekannten Langweiler-Linien ausscherende Werke, aber immerhin
als Werke mit einer Objektbezüglichkeit interpretieren, die sich als auf-
und ausstellbar erweist und die den Verkauf nicht unmöglich macht. Diesbezüglich
war er kein Schwieriger.
Entscheidender ist der mikroskopische
Verfahrenscharakter seiner Kunst. Von Zeichnung zu Zeichnung, Bild zu Bild,
Objekt zu Objekt stellte Kippenberger seine Optik scharf auf intellektuelle
Besitzstände, nicht etwa nur auf ein Wunschbild der Selbstverwirlichung,
die Vollendung der Form oder auf irgendwelche Symboluniversen.
Das rief Bußprediger zuhauf auf den Plan. Kippenberger entkam
ihnen sowie dem Konsens und polarisierte immer wieder neu. Mit der häufig
bei ihm durchschlagenden Geste auftrumpfender Großartigkeit hielt er sich
genauso die ungebetenen Claqueure vom Leib und die witzelnden Kleingeister in
Schach. Lediglich seinen Schülern und einem Kreis von Vertrauten werden die
Unterscheidungskriterien im Innern jener gemeinsamen Undurchsichtigkeit geläufig
gewesen sein.
Kippenbergers Sprechen über Kunst und die sie vernetzenden
Systeme eilte seinen Werken voraus und veränderte selbstverständlich
den Blickwinkel auf den entsprechenden Gegenstand. Aber: den eigenen Wortschwall
mit Wortlosigkeit auszustechen, eine Riesenantenne" für
Sinnlichkeiten (einschließlich Schnulz und Pathos) zu haben, das war eine
seiner Stärken. Intelligente Askese im antiintellektuellen Affekt
niederzulachen, daraus machte er sich oft genug einen Jux. Das brachte ihm den
Ruf ein, ein abgefeimter Zyniker zu sein. Dabei riß er nur auf, was
verschlossen bleiben sollte. Er selbst sprach von sich als einem Zwangsbeglückten".
Scharfäugig und unmaskiert hat er Fußangeln ausgelegt und
mit Sätzen wie Das, was ich als Kind machen sollte oder machen
wollte, das hab ich gemacht. (...) Ich baue kein 18tes oder 118tes Iglu auf der
documenta auf. (...) Hab nicht die Kraft dazu. So hartgesotten bin ich nicht"
in die nahe Zukunft projiziert, daß sein Zweitwohnsitz der Zweifel bleiben
soll.
Der Künstler Martin Kippenberger ist tot. Er starb am 7. März
in einem Wiener Krankenhaus. 1953 in Dortmund geboren, vollendete er am 25.
Feburar sein 44. Lebensjahr.
©Christoph Tannert 1997