Verschwender, Animator und Selbstdarsteller, Angeber, Anführer
und Vorsteller" - ein Porträt des Künstlers als Enfant terrible,
entworfen von Martin Kippenberger selbst, der voller Lust Klischees des
Kunstbetriebes aufspießte. Sei es mit Bildern, die er malte oder malen ließ,
sei es mit anarchistischen Zwei-Mann-Stücken, die er mit seinem Kollegen
Albert Oehlen ausheckte.
Die ernsthafte Avantgarde-Gemeinde brachten sie zum Lachen, etwa mit No
problem", betreffend den Alkohol. Tatsächlich balancierte Martin
Kippenberger, der am Wochenende im Alter von 44 Jahren an Leberkrebs in Wien
gestorben ist, am Rande der Selbstzerstörung. Der aus Dortmund stammende Künstler
hielt seiner Gegenwart den Zerrspiegel vor, dabei machte er sich angreifbar,
mischte sich ein, statt auf ironische Distanz zu achten. Ein Dialog mit
der Jugend" etwa hatte Folgen: Das Foto zeigt das blutverkrustete,
dickverpflasterte Gesicht des Künstlers, der 1983 Kanonenboot und
Weihnachtsmann unter blauem Himmel zum hinterhältigen Tableau Krieg böse"
zusammengespannt hatte. Es war die große Zeit der Mühlheimer
Freiheit", die mit ihren neuen wilden Bildern den Puls der Kunstszene
schneller schlagen ließ.
Doch Kippenberger, der 1978 nach Köln
gezogen war, verließ bald den Rahmen einer plakativ-expressiven Malerei
und stellte sein multi-mediales Talent in den Dienst einer bissigen
Gesellschaftskritik, die getragen war vom Mut zum Dreck", in dem der
Künstler die Schönheit findet. In mehrteiligen Bildsequenzen
verfremdet er das kleinbürgerliche Heldenleben, gibt beispielsweise in Null
Bock auf Ideen" (1982/83) ein schrilles Puzzle, das von Titten, Türmen,
Tortellini" bis zum Querschnitt eines Kindertopfes nach Colani"
reicht und vielfältige Assoziationen weckt, wobei Titel und Darstellungen
einander verstärken. Doch alle Provokationen, mit denen Kippenberger bewußt
die Grenzen des konventionellen Geschmacks überschritt, schützten
nicht vor musealer Vereinnahmung des Künstlers. In der Kölner Schau ars
pro domo" war er ebenso vertreten wie in der Päsentation der Sammlung
Reiner Speck, der dem Museum Ludwig Kippenbergers Reise nach Jerusalem"
schenkte.
Für den Kölnischen Kunstverein ließ Kippenberger 1991
zerstörte (allerdings vorher fotografierte) Bilder in einen Container
verfrachten, in der Eifeler Galerie von Erhard Klein zeigte der Fußballfan
den Goldenen Schuß" der WM 1994, der auf abgemalte Bilder von
David Hockney gedruckt war - neben den Klischees der Werbung und Politik nahm er
nun Künstler- und Sportler-Idole aufs Korn. Und als Der Eiermann und
seine Ausleger" breitete er zuletzt im Mönchengladbacher Museum seinen
trivialen Eier-Kosmos aus, der von Picasso bis zur Kinder-Schokolade reichte.
©Annette Schroeder 1997